Passo Stelvio, die Zweite

Veröffentlicht am 20. August 2025 um 19:01

2020, die zweite Geschichte von "mit dem Radl aufs Stilfser Joch". Inzwischen war ich 67 Jahre alt und besser vorbereitet als vor 7 Jahren. Zumindest dachte ich das. Außerdem um 4 kg leichter und ich hatte diesmal meine Frau dabei. Die ganze Sache konnten wir auch noch mit einem Kurzurlaub in Südtirol verbinden. Alles passte besser als 2013 als ich den Stelvio im "vorbeifahren" mitnahm. Aber der Reihe nach. Ich hatte ein Hotel in Sulden gebucht bei welchem wir noch aus Coronazeiten eine Gutschrift hatten. Ideal,da Sulden nicht weit weg war von der Stilfser Joch-Straße. Wir reisten über den Reschensee an. Bekannt durch den  versunkenen Kirchturm im See.

Das Hotel schön gelegen im Ort mit kleinem Park  gegenüber von König Ortler. Kleines Gym dabei für mich, Wellness Programm für meine Frau. Das Zimmer groß und sehr sauber mit Terrasse. Wir wollten den  Rest des Tages noch genießen bevor ich morgen den Passo Stelvio in Angriff nahm.

Am nächsten Tag ging es dann nach dem Frühstück los. Ich fuhr mit dem Auto von Sulden nach Gomagoi zur sogenannten "Straßensperre" bei der sich ein großer Parkplatz befindet. Das Radl ausgeladen und los gings auf die Stilfser Joch-Straße. Zunächst etwas verhalten. Ich mußte meinen Rhythmus finden. 1 km später dann die erste Kehre, Nummer 48. Hier wird von unten nach oben umgekehrt gezählt. Also erste Kehre Nr.48, letzte Kehre oben die Nr.1 ! "Motivationstechnisch" finde ich das besser. Ja, ich fühlte mich gut. Es war noch früh, wenige Autos und Motorräder waren unterwegs. Geplant war ein Halt an der Franzenshöhe bei Kehre 22 also in etwa die Hälfte der Strecke. 

Nächster Ort war Trafoi, es ging an dem Kirchlein vorbei. Weiter oben kurzer Halt am Weißen Knott für ein Foto. Dann ging es zunächst durch den schattigen Wald. Einige Kehren weiter war ich dann der prallen Sonne ausgesetzt. Umdrehung um Umdrehung ,ich hatte meinen Rhythmus gefunden und hing dabei meinen Gedanken nach. An was man nicht alles denken kann beim gleichmäßigen Kurbeln. Alles möglich ging einem durch den Kopf. Dazwischen Trinken und an einem Riegel knabbern. Inzwischen machten mir die Temperaturen etwas zu schaffen besonders an den hohen Steinmauern entlang. Gefühlte 40 Grad! Was solls, mein geplanter Zwischenstopp kam näher.

Das Berghotel Franzenshöhe bei Kehre 22. Hier war Kaffee und Kuchen geplant. Aber wie das Leben so spielt. Ich fühlte mich gut und dachte: Wenn ich mich jetzt in den Biergarten setze und eine Pause mache wird es mir sehr schwer fallen wieder aufzustehen und weiterzufahren. Also nur kurz in der Zufahrt zum Hotel etwas trinken und einen halben Riegel essen. Meine Entscheidung sollte sich später als fataler Fehler erweisen. Einige Kehren weiter oben war es dann soweit. Die Hitze und die dünne Luft nichts für mich. Meine Oberschenkel fühlten sich etwas schwammig an. Dazu noch der Blick zum Zickzack des  Schlußanstiegs der sich weiter hinten auftürmte. Vom letzten Mal wußte ich das der schwerste Teil vom Stelvio noch kommt. Ich hätte doch eine Pause machen sollen um die Kohlenhydratspeicher aufzufüllen und den Muskeln Gelegenheit zu geben sich etwas zu erholen. Letztendlich ging es ja darum oben anzukommen und nicht irgendeinen Rekord aufzustellen. In meinem Alter sowieso nicht. Keine Ausreden, weiter gings. Der Stelvio Foto-Point kam näher. Damit meine ich den Fotografen der am Schlußanstieg alles fotografiert was vorbeifährt.  Immer an der gleichen Stelle. Später kann man die Fotos dann online bestellen.

Das Bild in der Mitte, da war ich schon im roten Bereich. Von hier aus sind es noch ca.3,5km bis zur Kehre 1. An dem Tag war das unendlich weit. Man muß wissen ich war da schon fast 3h unterwegs und immer bergauf. 48 Kehren die sich endlos ziehen. Über der Baumgrenze ist die Hitze zermürbend, kein Schatten. Steigung durchschnittlich 7-8% teilweise bis 10%. Dazu bei über 2000m Höhe der Sauerstoffmangel. Es geht bis auf 2757m Höhe, das alles machte sich auf den letzten Kilometern bemerkbar. Doch nicht so gut vorbereitet wie gedacht? Das alles zählte nicht mehr, ich wollte ans Ziel kommen. Kleinster Gang aber es ging vorwärts. Ich versuchte mich mit positiven Gedanken abzulenken. Ich dachte ans Duschen wenn ich wieder zurück bin im Hotel. An den Whirlpool zum entspannen. Natürlich auch an das gute Abendessen zusammen mit meiner Frau und an ein eiskaltes Weissbier! Aber zunächst mußte ich da hoch zu Kehre 1. Da ich seit einigen Jahren leichtes Asthma hatte machte mir immer mehr die dünne Luft zu schaffen. Mein Notfallspray kam jetzt zum Einsatz. Ich nenne es immer mein "Doping". Nach dem Sprühen ging es etwas besser. Trotzdem brennen weiterhin die Beine. Der Puls ist am Anschlag und die Lunge pfiff buchstäblich aus dem letzten Loch. Nach einer Ewigkeit für mich kam endlich Kehre 1 in Sichtweite. Noch 100m zum Ziel. Ein Gefühl von Triumph und Stolz machte sich in mir breit. Ich hatte es wieder geschafft!! Ich war glücklich und dankbar. Der Stelvio ist ja kein normaler Pass sondern für jeden Radsportler ein Mythos! 

Jetzt freute ich mich auf die Abfahrt. Im folgenden Videoclip eine kurze Zusammenfassung  der Tour mit Abfahrt  am Passo Stelvio:

Wieder zurück im Hotel, zunächst Duschen dann ab in den Whirlpool 30 Minuten entspannen. Alle Last ist von mir abgefallen. Ein gutes Gefühl. Ich freute mich auf den Abend mit meiner Frau. Sie hatte den Tag mit Wellness genossen und war danach auf der Terrasse eingeschlafen.

Wie ich es mir vorgestellt hatte war es ein schöner Abend mit meiner lieben Frau bei sehr gutem Essen!

Wir blieben noch einige Tage um die schöne Gegend am  Ortler zu erkunden.Außerdem noch der Besuch bei der Bergsteigerlegende Reinhold Messner der zufällig auch in Sulden war und einen Vortrag hielt in seinem Messner Mountain Museum Ortles.

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